Osterspecial: Atze und Nadine und der Un-Weltschutz

Hätte vor 3 Monaten jemand gesagt: „Ostern dürft ihr keinen MG-Ausflug machen!“ hätte jeder maximal auf Einschränkung wegen CO2 getippt. Bekanntlich kam alles anders…allerdings ist das Thema nicht neu. Im MG Kurier 106 vom Januar 2011 kämpften Atze und der Erzähler in einer nicht weit entfernten Zukunft mit dem…

 Un-Weltschutz

„Oh, schau mal – der MG Kurier 105 von 2010. Mit einem Artikel über Verbände…“ – Atze reicht mir ein altes Kurier- Exemplar. „Atze, keinen Artikel über, gib mir einen von den Verbänden, verflucht!“

Es tut höllisch weh, ich habe mich beim Schrauben blöde verbrannt. Früher, mit einem zölligen Schlüssel, da war alles einfach. Schramme, Pflaster, weiterwerken. Wer heute Sport mit Oldtimern machen will, muss eben gut im Löten sein. Oldtimersport ist mittlerweile perfekt organisiert in Deutschland, es gibt reichlich Clubs. Atze und ich starten in der Pre-70s- Klasse, das sind Märklin- und Carrera-Slotcars bis Baujahr 1970.

„Ach, blöde Slotcars. Das ist kein Motorsport. Komm, wir fahren auf Besuch.“ Manchmal besuchen wir nämlich unseren lieben alten MG in der Garage. Das ist aber sehr mühsam, zumindestens streckenweise. Garagen für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren sind nur noch ausserhalb geschlossener Ortschaften zu mieten, und wirklich teuer.

Da fällt der Anschaffungspreis fürs Elektrofahrrad kaum ins Gewicht, und man hat sogar das Gefühl, man tut etwas für die Volksgesundheit, wenn man seinen Blechkumpel aus alten Tagen besuchen fährt.

Allerdings atmet Atze beim Radeln trotz Elektroradeln etwas heftig und vor allem laut. Dieses Japsen hat uns neulich einen ernsthaften Rüffel vom Dorfschergen eingetragen, richtig hässlich war das. „Noch nie was Kohlendioxidbilanz gehört? Du Schnappatmer, Du Umweltsau!“ schreit der uns hinterher. Uns! Die wir 40 Jahre lang Neuwagen verweigert hatten, die pro Fahrzeug 25 Tonnen Müll erzeugt hätten, allein bis sie bereit zur Zulassung gewesen wären.

Da wir einen leichten Berganstieg vor uns sahen, hob sich Atze aus dem Sattel und…furzte vernehmlich.

„Jetzt auch noch Methan! Euch komm ich bei, ihr, ihr…“ Naja, so ist es halt, heutzutage. Endlich sind wir bei der alten Garage. Knarzend öffnen wir die Pforte, und plötzlich lächelt mich Atze mit diesem verschwörerischen Blick an, so wie früher, wenn er einen Verteiler ohne Unterdruckdose mithatte, oder Oktanbooster…

Atze fischt ein Zettelchen mit einem Barcode-Aufkleber aus der Tasche. „Guck mal!“

Meine Augen werden feucht – ein Emissions-Zertifikat! Einiges ist ja wieder leichter geworden in den letzten Jahren. Wer eine Fahrt mit einem Verbrennungsmotorfahrzeug machen will, gibt einfach per Internet seine Kontonummer an, erteilt eine Einzugsermächtigung und schwupp: wird das Konto geräumt und man bekommt ein One-Shot-Token zum Download eines befristet gültigen Zertifikates zugemailt. Jetzt muß man das nur noch nutzen – am besten sofort. Mit seinem Oldtimer darf man nämlich nur ein bestimmtes Areal befahren, welches mittels GPS oder Barcode und Geofencing überwacht wird. Ist aber in diesem Areal der für diesen Tag insgesamt erlaubte Kohlendioxid- Wert im Areal erreicht, gibt es keine Erlaubnis mehr, das Zertifikat verfällt. Nenngeld ist Reuegeld…

Hier sind also sehr klug Zeitfenster zu wählen und vor allem: Die Augen sind offenzuhalten, denn die Konkurrenz lauert in allen Lebensbereichen. Wir starten frohgemut den Motor unseres V8 und rollen aus der Garage. Ich winke unserem Camper-Nachbarn, der: Ich fass es nicht, der grillt! Mit Holzkohle! Kohlendioxid, nicht nur meßbar, sogar sichtbar! Jetzt heisst es: Schnell sein, sonst versaut der die Ökobilanz in unserem Fahrspaßsektor, und wir sind Dauerparker!

Atze und ich öffnen zeitgleich die Türen, ich bummele zum Gartenzaun und beginne ein joviales Gespräch, während Atze ohne ein Geräusch den Pulverlöscher aus der Halterung vor dem Fahrersitz nestelt und im NATO-Stil aufs Camper-Grundstück robbt.

Campers Krabbelkind will petzen, doch Atze kontert mit Zielwurf eines absolut biologisch abbaubaren Kinderüberraschungs-Eis ins krähende Maul. Das war knapp…es ist wieder Ruhe.

Ich schimpfe derweil lauthals auf Kanzler KTvGuttenberg (Anmerkung der Redaktion: Hier irrte der Glaskugelleser anno 2011), der mit seinen 48 Jahren doch eigentlich längst in die freie Wirtschaft gehört, und treffe einen Nerv – Nachbar sieht es genauso, Vollablenkung gelungen! Derweil entlädt Atze den Pulverlöscher auf Grill und herumstehende Grillkohle.

Mit einem lakonischen „‘s hat gebrannt!“ drückt er dem Nachbarn den roten Zylinder in Hand.

„Tja, wir müssen dann jetzt mal!“ winke ich, klebe den Barcode in die Scheibe und…pedal to the metal! Endlich wieder einmal auf die L156 – das wird ein Fest!

(Es folgt der abschließende Hinweis aus dem Januar 2011):

Jetzt aktiv werden in Clubs und Verbänden, dann wird dies 2020 nicht erlebt von: Andreas Pichler

Und dazu gab es im Januar 2011 noch einen Infokasten:

Geofencing (Überwachungstechnologie, damit sich Objekte nur in einem bestimmten geografischen Raum aufhalten), Zertifikate-Handel, Oneshot-Token und elektronische Fahrzeugkontrollen via Kennzeichen oder GPS gibt es bereits in Brasilien. Die telematische Überwachung von Fahrzeugen ist zum Beispiel im Speditionsgewerbe bereits Praxis. Fahrleistungsbeschränkungen, Fahrverbote und Quasi-Enteignungen (wie Maut und Umweltzonen in Deutschland) finden sich in den Gesetzbüchern vieler Länder.